Was unsere Seele verletzt und wie sie wieder heilen kann
Konflikte mit sich selber, Familienangehörigen, Partnern, Freunden und Mitmenschen entstehen meist durch seelische Defizite und Verletzungen in der eigenen Kindheit.
Daraus können dann Minderwertigkeitsgefühle resultieren und meist negative Grundeinstellungen zu sich selber und dem Leben und eine stark eingeschränkte Fähigkeit, sich selber und andere tiefer lieben zu können.
Eher unbewusst erwarten seelisch traumatisierte Menschen von ihren Mitmenschen eine Wiedergutmachung/Heilung der alten Verletzungen und dass die mangelnden Grundbedürfnisse von früher (z.B. ausreichend geliebt und wertgeschätzt zu werden) von ihnen erahnt und befriedigt werden. Es ist jedoch nicht möglich, dass diese kindlichen Verletzungen im Erwachsenenalter von anderen Mitmenschen wieder gut gemacht oder geheilt werden.
Die sich dadurch ergebenden Frustrationen auf beiden Seiten führen oft zu Rückzug, zur Selbstausgrenzung und Einsamkeit/Depressionen oder zu einem vorwurfsvollen, konfliktschürenden Verhalten mit Vorwürfen, hinter denen unausgesprochene Bedürfnisse und Wünsche stecken. Dies können zum Beispiel Wünsche nach gesehen, wertgeschätzt, bewundert oder geliebt zu werden sein.
Es kann heilend sein, diese alten, erlittenen Kränkungen mit den dazu passenden Gefühlen wie Ärger, Trauer und Schmerz, heute noch einmal zu spüren und sie, möglichst in Gegenwart von Zeugen, laut auszudrücken. Diese Aufarbeitung der Verletzungen kann meist nicht mit einem einmaligen Akt erreicht werden, sondern bedarf mehrerer Sitzungen.
Meine angewandten 10 möglichen Heilungsschritte in der tiefenpsychologischen Einzel- oder Gruppentherapie sind:
- Das verdrängte Trauma, das schmerzhafte Gefühl kann z.B. durch Traumdeutungen, Meditationen, Hypnose oder durch ein anderes Verfahren (Körpertherapie….) wieder bewusst gemacht werden
- Über den Verstand die Zusammenhänge zwischen den alten Verletzungen/Entbehrungen und den heutigen zwischenmenschlichen Konflikten erkennen lernen und bewusst machen.
- In der Einzeltherapie oder in der Gruppentherapie – also unter Zeugen – diese damals aus Not verdrängten Verletzungen offenbaren.
- Sich dann den damals Verletzenden bzw. das Elternteil vorzustellen und gleichzeitig die verdrängten Gefühle möglichst laut (zum Abbau der belastenden, eingefrorenen Stresshormone = Blockaden) auszudrücken durch Weinen, vorwurfsvolles Schreien etc.
- Sich bewusst machen, dass die Verletzer damals, wegen eigener Traumata, es wahrscheinlich nicht besser machen konnten.
- Wenn irgendwie möglich, Verzeihungs- und Versöhnungsarbeit leisten.
- Sich selber für diesen Gnadenakt bewundern, unnötige eigene Schuldgefühle aufgeben und dadurch seinen Selbstwert steigern.
- Sich selbst, die eigene Seele, für das damals Erlittene bedauern und trösten. Somit kann sich mehr und mehr Selbstliebe entwickeln.
- Künftig Erwartungen an andere herunterschrauben oder möglichst erwartungslos bleiben, um erneute Enttäuschungen und Verletzungen und daraus folgende Konflikte zu vermeiden.
- Der höheren Macht für diesen Heilungsprozess danken und künftig die Liebe als Lebenssinn praktizieren.
In der Psychotherapie wird heute vorwiegend kognitiv (verstandesmäßig) oder verhaltenstherapeutisch gearbeitet. Im Rahmen meiner eigenen Selbsterfahrung und der jahrelangen Therapien mit Patienten ist mir bewusst geworden, dass die emotionale Arbeit, also an unseren Gefühlen, eine stärkere heilende Wirkung hat, als die Verstandesarbeit oder Verhaltensänderungen.
Starke Emotionen/Gefühle werden in unserem Gehirn und Unterbewusstsein tiefer verankert, als Gedanken bzw. Wissen. Bei manchen Krebserkrankungen vermuten Therapeuten schwere, unverarbeitete Traumata (seelische Verletzungen) vor Ausbruch der Erkrankung als mögliche Ursache der Krebsentstehung. In diesen Schockzuständen (Traumata) werden Gefühle wie z.B. Wut, Trauer und Schmerzen eingefroren/verdrängt, was wahrscheinlich zu unbewusstem Dauerstress führt. Dieser kann unser Immunsystem möglicherweise so stark schwächen, dass Krebszellen nicht mehr erkannt und beseitigt werden, sodass sie sich vermehren können. Deshalb halte ich es gerade bei Krebskranken für sehr wichtig, bei seelischen Traumata in der Vergangenheit, sich die nicht ausgelebten Gefühle noch einmal bewusst zu machen, sie in der Therapie zu fühlen und laut, möglichst vor Zeugen (Therapeut oder der Gruppe), auszudrücken. Nur so können diese Verletzungen heilen und der krankmachende, unbewusste Dauerstress abgebaut werden.
Als Hilfsmittel benutzen wir dazu einen Schaumstoffquader, auf den der Betroffene mit einem Tennisschläger schlagen und gleichzeitig seine Wut oder den Schmerz herausschreien kann. Dabei gebe ich z.B. Sätze vor wie „Du hast mir weh getan!“ „Ich bin wütend!“ oder ähnliche, zur Verletzung passende Sätze. Bei Ermangelung von Hilfsmitteln kann sich der Patient auch die verletzende(n) Person(en) von früher vorstellen und imaginär mit ihnen sprechen oder sie anschreien. Bei Trauer fließen oft viele Tränen, die sehr heilend sein können. Da die meisten Menschen heute eher Verstandesmenschen sind, scheuen und schämen sie sich anfangs oft, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Nach einer solchen emotionalen Arbeit berichten uns viele Patienten, dass diese Therapiemethode sie stark verändern und heilen konnte.