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Rückmeldung eines Patienten und sein Umgang mit der Diagnose Krebs
Von der ersten Diagnose bis heute!
An besagtem Tag ging ich morgens mit Rücken- und Schulterschmerzen zu meinem Hausarzt, in der Erwartung, eine Überweisung zu einem Orthopäden oder Osteopathen zu bekommen. Eine Ultraschalluntersuchung meines Bauchbereiches zeigte eine Veränderung an meiner Leber, schwarze Flecken waren sichtbar und ließen auf Gewebeveränderungen schließen. Mein Hausarzt schickte mich noch am gleichen Tag mittels einer „Blitzüberweisung“ ins Krankenhaus zur genaueren Untersuchung.
Diese erbrachte die niederschmetternde Gewissheit, dass es sich um Metastasen in der Leber auf Grund eines Muttertumors im Magen-/Speiseröhrenbereich handelte. Diese zwei Tage im Krankenhaus stand ich natürlich völlig neben mir und reagierte nur. Als man mir und meiner Familie, die teilweise anwesend war, diese Diagnose mitteilte, ging es mir im ersten Moment wohl genauso, wie es jeder und jedem ergeht, dem eine solche „Klatsche“ wie ein Eimer mit eiskaltem Wasser ins Gesicht geschleudert wird. Man verliert erst einmal den Boden unter den Füßen und es gehen einem alle möglichen Gedanken durch den Kopf. „Was bedeutet das jetzt?“ „Wie geht mein Leben weiter?“ „Geht es noch weiter, und wenn, wie lange?“ Erschwerend kamen noch die recht frischen Erinnerungen an den Tod meiner Schwägerin wieder hoch, die knapp eineinhalb Jahre zuvor an einem Darmkrebstumor verstorben war. Dieser „erste Moment“, so lange er mir in dieser Situation auch vorkam, dauerte allerdings nur wenige Sekunden. Ich schaute in die verweinten Gesichter meiner Frau, meiner Tochter und meines jüngsten Sohnes und sprach innerlich zu mir, dass dies nicht das Ende ist, sondern der Anfang eines neuen Lebensabschnitts zu sein scheint, dessen Ausgang natürlich ungewiss ist, der mir aber anscheinend, von wem auch immer die Regie geführt wird, ein neues Drehbuch geschrieben hat. Die weiteren Untersuchungen erbrachten, dass eine Operation nicht möglich sei und meine Behandlung „nur“ palliativ möglich ist, was einem natürlich nicht unbedingt weiteren Mut zuspricht, wenn man die Geschichten über Chemotherapien kennt und ihnen einfach Glauben schenkt.
Alles in Allem: Jeden Tag gab es einen neuen Schlag ins Gesicht! Aber frei nach dem Motto: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ sagte ich innerlich zu mir, dass ich das Vergangene nicht mehr rückgängig machen, das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen kann und nun zielgerichtet an meiner Genesung mit dem unbedingten Wunsch nach vollständiger Heilung arbeiten müsse. Aufgeben ist keine Option! Anscheinend liegt es in meiner Natur, dass ich schon immer die Eigenschaft habe, mich über Ereignisse und Entscheidungen, die in der Vergangenheit liegen und die ich nicht mehr ändern kann, nicht weiter aufzuregen, sondern den Blick nach vorne zu schwenken, um eine Lösung zu finden. Den Kopf in den Sand zu stecken und Vergangenem hinterher zu heulen, bringt nichts. Das Vergangene lässt sich nicht mehr ändern! Egal ob es schon lange oder erst ein paar Sekunden her ist. Man kann nur daraus lernen und das Verhalten verändern (das weiß ich jetzt umso besser!) Alle waren von meiner „Coolness“ überrascht und konnten es eigentlich nicht verstehen, wie ich dies alles wegsteckte. Nach meiner Erfahrung von der ersten Diagnose bis jetzt scheint es wirklich so zu sein, dass die Angehörigen oft schwerer daran „zu knabbern haben“, als die/der Betroffene selbst. Meine Einstellung in dem Moment war: Je schlimmer die Nachricht, desto größer mein Wille, „es ihr zu zeigen“: NICHT MIT MIR! DRUCK ERZEUGT GEGENDRUCK!
Als dann der erste Besuch beim Onkologen anstand, um die weitere Therapie zu besprechen, meinte ich, aus seinen Worten und Blicken erkennen zu können, dass er mich anscheinend innerlich schon „abgeschrieben“ hatte, obwohl er dies nicht direkt aussprach oder mir sogar irgendeine Prognose einer noch möglichen Lebenserwartung gab. Hätte er damit angefangen, so hätte ich ihn sofort unterbrochen, da ich auf solche Prognosen nichts gebe, denn wer hat schon das Stundenglas des anderen im Schrank stehen und kann sagen, wann die letzte Stunde geschlagen hat? Die Therapie fing überraschenderweise noch am gleichen Tag an. Zum Glück gehöre ich zu einem etwas geringeren Prozentsatz von Patienten, die zusätzlich zur Chemo auch Antikörper verabreicht bekommen können, was mich meinem selbst erklärten o.g. Ziel einen ersten Schritt weiter bringt. Es mag auch an meiner positiven Grundhaltung liegen, dass ich, bis auf recht wenige, aber bisher gut zu ertragende Nebenwirkungen, die Chemotherapie recht gut vertrage und mein Leben außerhalb der Therapie weitestgehend ganznormal gestalten kann. Wir haben uns in der Zeit neue E-Bikes zugelegt und mir geht es körperlich immer besser. Was meine Fitness betrifft, sogar besser als vor der festgestellten Diagnose!
In solchen Momenten einer „Schockdiagnose“ verfallen manche Menschen in eine Schockstarre, ergeben sich kritiklos allen vorgeschlagenen Therapien und lassen die Ärzte einfach mal machen. Dies kam für uns, und dieses Wort wähle ich hier bewusst, von Anfang an nicht in Frage. Ich bin meiner Familie unendlich dankbar dafür, wie alle: meine Frau, meine drei Kinder und deren Lebenspartner mich vom ersten Moment an unterstützt haben. Dies fing mit einem spontanen viertägigen Kurzurlaub an der holländischen Nordsee an, der uns noch weiter zusammenschweißte und in mir eine unendliche Dankbarkeit an und einen großen Stolz auf meine Familie wachsen ließ. Anscheinend haben wir als Eltern nicht allzu viel verkehrt gemacht. Unsere Tochter ließ sich extra 3 Wochen beurlauben, übernahm die gesamte Organisation und regelte alle Termine. Zu erwähnen ist, dass alle drei Kinder nicht mehr bei uns wohnen. Aber irgendjemand war immer bei uns präsent, um uns mental, aber auch praktisch in irgendeiner Weise zu unterstützen. Meine Frau übernahm, parallel zu meiner konventionellen Therapie, die Suche nach alternativen, bzw. komplementären Ansätzen, um einen ganzheitlichen Ansatz zu finden. Man neigt in solchen Situationen dazu, sich an jeden Strohhalm zu klammern, den man greifen kann. Aber der Spruch „Viel hilft viel“ ist nicht immer hilfreich. Daher haben wir gemeinsam differenziert, was wir noch zusätzlich machen können. Abende wurden damit verbracht, Recherchen anzustellen und das Nützliche von Fraglichen oder gar gefährlichen Aktionen zu unterscheiden. Wichtig ist, dass die/der Betroffene mit vollem Willen, völliger Überzeugung und freiwillig mitarbeitet und nicht einfach alles mitmacht, was ihm vorgekaut wird, nur weil es gut sein und helfen soll. Einige Sachen haben wir nach kurzer Zeit wieder sein lassen, wenn sie mir meines Erachtens nicht gut getan haben. Erstaunlicherweise fiel es mir sehr leicht, mich von alten, gut gepflegten Gewohnheiten von jetzt auf gleich zu verabschieden. Aber ich habe ja ein Ziel und ohne Veränderung geht es nicht und da muss man auch mal das ein oder andere Opfer bringen. Hier sind ein paar kleine Beispiele: nicht mehr alle Anfragen und Bitten von anderen an sich reißen, auch mal etwas abgeben – das geliebte Feierabendbier (und allgemein Alkohol) ist Geschichte.
Ungesunde Lebensmittel (Zucker, Schweinefleisch, Kohlenhydrate, etc.) werden, soweit möglich, aus dem täglichen Ernährungsplan verbannt. Müsli statt Brot geht auch. Auch wenn mal etwas nicht angenehm schmeckt: Wenn es Dir hilft, nutze es! Sport kann auch Spass machen. Auch auf spirituellem Level habe ich zugelegt, meditiere jetzt 1-2 x täglich! Ehrlich gesagt, hätte ich dies vor einem halben Jahr noch nicht für möglich gehalten! Aber warum auch? Augenscheinlich ging es mir damals gut, auch wenn ich viel um die Ohren hatte. Es war nicht der große Stress, den ich hatte, sondern die Summe der kleinen Stressmomente (Arbeit, Betreuung der Mutter, Vereinsarbeit, …), die mich verkennen ließen, dass auch ich nicht unverwundbar bin! Nun gut, die Warnung hätte auch ein wenig dezenter ausfallen können, aber so ist es nun mal! Da wir uns mit einer Ärztemeinung nicht zufrieden geben wollten, haben wir noch sehr kurzfristig einen Termin in der Uniklinik Heidelberg bekommen. Dieser Besuch erbrachte, dass wir erst einmal den vorgeschlagenen Weg des Onkologen einschlagen werden: Erst klein machen, und dann weitersehen. Meine Frau stellte auch den Kontakt zu Hermann-Josef her und ich wurde von ihm mit offenen Armen empfangen und bin jedes Mal froh, wenn ich ihn zu einem weiteren Gespräch besuchen darf. Er hat mir viele Erkenntnisse gegeben, die mir aufgezeigt haben, warum ich diesen Volltreffer erhalten haben, und wie ich dagegen arbeiten kann, damit ich diesen wegstecken lerne und mein selbst erklärtes Ziel erreichen kann. Ich bin mittlerweile 3 Monate in der Therapie und hatte vor zwei Wochen mein erstes Staging. Innerlich spürte ich vorher schon, dass sich etwas in mir getan hat und es eine Verbesserung gegeben haben musste. Erfreulicherweise zeigte das CT, dass sich EINIGES getan hat! Manche Stellen sind um die Hälfte kleiner geworden, einige Metastasen sind kaum mehr nachweisbar! Also nach so kurzer Zeit die best mögliche Diagnose, außer einer Wunderheilung. Dies alles hat mich in meiner Meinung bestärkt, dass man mit einer positiven Lebenseinstellung und dem Annehmen einer nicht mehr zu ändernden Situation, viel erreichen kann. Ich werde den bisher eingeschlagenen Weg genau so fortschreiten.
Wir werden auch jetzt wieder den Weg einer Zweit- bzw. Drittmeinung bestreiten und dann sehen, wie wir uns entscheiden. Dann ist das Wort Operation vielleicht auch wieder im Gespräch. Man darf sich von einer einzelnen Meinung nicht komplett beeinflussen lassen, sondern sollte sich auch andere Ansätze oder Lösungswege offen halten! Mein altes Ich wird es so nicht mehr geben! Meine Frau sagte, schon, dass ich mich sehr stark verändert habe. Aber eine Veränderung ist unbedingt notwendig, denn mit meinem alten Lebensstil habe ich die Aufgabe (ich sage bewusst nicht Krankheit) heraufbeschworen und nur mit einem veränderten Verhalten löse ich sie. Ich vermeide auch ganz bewusst das Wort Kampf, denn ich kämpfe nicht gegen die körpereigenen Zellen, ich möchte sie mit meinem Verhalten dazu bringen, ihren Job wieder ordentlich zu machen. Genauso behandle ich die Chemikalien, die ich wöchentlich verabreicht bekomme: Sie sind die Reinigungsmittel, welche meinem Immunsystem helfen, meinen Körper wieder in die richtige Spur zu bekommen. Daher akzeptiere ich sie und anscheinend wird mir das mit relativ moderaten Nebenwirkungen gedankt. Ganz wichtig ist es, auch weitere, langfristige Ziele zu haben, um seinem Leben einen Sinn zu geben:- Wir haben uns z.B. vorgenommen, ein neues, kleineres Haus für uns zu bauen und uns dort nur auf das Nötigste zu beschränken (downsizing).- Sollte ich wieder arbeitsfähig sein, wird sich meine Arbeitsweise radikal ändern (Home-Office, Stundenreduzierung).- Aufgaben werden delegiert, wenn sie mir zu viel werden. Ich bin nicht die wichtigste Person auf diesem Planeten, außer für mich selbst und für meine Familie! Wenn ich eines gelernt habe, dann dies! Zitat aus einem Lied der Gruppe „Ganz schön Feist“:
Reite dein Pferd,
gib ihm die Sporen.
Lenk mit dem Knie,
halt dich fest an den Ohren.
Schau nur nach vorn,
nicht immer nach hinten.
Hinten wirst du die Zukunft nicht finden.
Rühr nicht immer in dem Scheiß von früher,
sag lieber zu der Zukunft: Hüa
An Gebärmutterkrebs Erkrankte mit Rezidiv und danach erneuter Remission
Aus vielen Bausteinen entsteht ein Haus. Aus vielen verschiedenen „Bausteinen“ wird ein Krebs. Es gilt inzwischen als erwiesen, dass ein bösartiger Tumor nicht allein zurückzuführen ist auf das Rauchen, auf Alkoholmissbrauch, auf sonstige „kosmische Strahlung“, zu viel Röntgenbestrahlung, karzinogene Substanzen in der Luft oder der Ernährung oder eben auf Erbanlagen. All diese Faktoren können im „Krebstheater“ eine Rolle spielen. Doch der Hauptakteur, der „Baumeister“ für das Krebsgebilde, wird immer die Seele sein: Eine kranke Seele macht auch den Körper krank!
Solange Ärzte auch weiterhin in ihrer Eigenart als Mechanik ihre Patienten behandeln, solange werden dem Krebs auch weiterhin Menschen zum Opfer fallen, die bei einer Körper und die Seele umfassenden Behandlung eine gute Chance zum Überleben gehabt hätten. Doch mit welchen Mitteln auch immer versucht wird, den Krebs zu bekämpfen, ob mit Schul- oder Naturheilmedizin oder einer Kombination aus beiden: wirksam werden sie erst dann, wenn ein Mensch sich seiner Seele bewusst wird als Mitstreiterin gegen den Krebs bzw. für ein Leben, das dem Krebs keine Angriffsfläche mehr bietet. Aus meiner Erfahrung glaube ich, allgemeingültig sagen zu können: Wer einmal Krebs hatte, wird weitere Angriffe dieser bösartigen Krankheit auf sein Leben nur dann wirksam abwehren können, wenn das Hören auf die „innere Stimme“ nicht nachlässt und auch nicht das Bemühen, auf einem Weg zur Gesundheit weiterzugehen, der, wie immer er aussehen mag, im Einvernehmen mit der „inneren Stimme“ für gut befunden wurde. Hoffnung, behaupte ich, kann niemals falsch sein!
So und nicht anders hatte ich mich immer gesehen, mich dargestellt: aktiv, stark, unabhängig. Meine Krebserkrankung gab mir die Chance, in mich hinein zu hören und zu erkennen, dass ich nicht immer nur die Aktive, die Starke, Unabhängige sein möchte. Das war die Gelegenheit, denen, die mir die Liebsten sind, zu offenbaren, wie verdammt hilflos ich mich fühlte in der Situation, in die ich mich selbst hineinmanövriert hatte; sie zu bitten, mir aus meinem Teufelskreis heraus zu helfen und gemeinsam zu überlegen: Was können wir tun?
Gegen eine Seele, die seelische Verstärkung zulässt, hat der Krebs kaum eine Chance! Doch wer immer über den Zusammenhang zwischen Seele und Krebs forschte, der hat auch Folgendes herausgefunden: Das Problem der meisten an Krebs erkrankten Menschen ist, dass sie ihre Seele bis zum Ausbruch der Erkrankung gefangen hielten, wie in einer Rüstung. Seelische Nähe zuzulassen ist ihnen immer schwer gefallen, und wenn sich das nicht spätestens nach dem ersten „Krebs Auftritt“ änderte, dann ging das Drama weiter. Dann waren Rückfälle vorprogrammiert.
Dieser Krebs, den ich MYO genannt habe, wäre vermeidbar gewesen. Aber ohne diesen Krebs, auch das möchte ich betonen, hätte ich den Zugang nicht gefunden zu meiner Seele und somit auch nicht den Schlüssel für meine Gesundheit und für eine Lebensqualität, die es mir möglich macht, diese Welt als wunderschön zu erleben und jeden Tag wie ein kostbares Geschenk zu empfinden.
An Schilddrüsenkrebs Erkrankter in Remission
„Zunächst kümmern Sie sich mal um das körperliche Problem – höre ich noch den Rat meines Arztes- und dann können Sie anfangen, sich um Ihr Innenleben zu sorgen. Damals erweckte ich mit einer zögerlichen Haltung gegenüber einer sofortigen Behandlung den Eindruck eines Menschen, der sich in aller Seelenruhe mit einem guten Buch zurücklehnt, wenn das Haus schon lichterloh brennt. Krankheit löste, nach herrschender ärztlicher Meinung, den totalen Krieg aus. Jegliches ausscheren aus dem militärischen Glied konnte sich als tödlich erweisen. Alle inneren Reserven mussten an die Front. Nachforschungen, gleich welcher Art, waren einstweiligen strengen Zensuren unterworfen. Unter diesem Blickwinkel, angesichts der Bedrohung der nackten körperlichen Existenz, war ein Ergründen der Psyche ein Luxus, den ich mir nicht leisten konnte. Von meinem heutigen Standpunkt aus – der jenen der Stammeskulturen nahe kommt, die Krankheit als Störung der allumfassenden Lebensharmonie betrachten – würde ich genau umgekehrt argumentieren: Gerade in kritischen Augenblicken bedürfen wir der inneren Zentrierung am meisten. Erst dann können wir zwischen jenen Aspekten unserer selbst unterscheiden, die unser Wohlbefinden bekämpfen und solchen, die es fördern; erst dann sind wir in der Lage zu verstehen, wo die Wurzeln von Gesundheit und Krankheit liegen. Diese „innere Arbeit“ kann zuweilen sogar die verborgenen Kräfte der Körper-Geist-Einheit wecken. Um verstehen zu können, warum wir krank sind, und um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, wie wir gesund werden können, müssen wir uns die Art, wie wir leben, lieben, arbeiten und fühlen einmal genauer ansehen – das, was wir eigentlich sind. Das wäre unserer Gesundheit nur zuträglich. Wenn wir anfangen, unseren Widerstand Schicht für Schicht abzutragen, nähern wir uns allmählich unserer wahren Natur, der Quelle unserer Heilkraft. Wenn wir uns unserer Krankheit so weit wie möglich “über die Seele“ nähern, können wir anfangen, die Quelle der krankhaften Befunde aus unserem Leben zu entfernen, statt lediglich ihre Symptome aus unserem Körper zu verbannen. Wenn der Mensch als Ganzes erkrankt, wird er auch als Ganzes gesund.
Wenn Krankheit zum Teil ein Prozess fortschreitender Desensibilisierung ist – Verlust des Kontakts zu anderen Lebensenergien – , dann ist die Aufgabe der Heilung das genaue Gegenteil: körperliche und gefühlsmäßige Unempfindlichkeit Schicht für Schicht abzubauen, Blockiertes zu lösen, auf Hinweise der Körper-Geist-Einheit zu reagieren, die Reichtümer der Gefühlswelt einzufordern, unsere niedrigste Integrationsstufe zu finden (integer = unberührt, ganz, einheitlich).
Der überwiegende Teil medizinischer Heilmethoden bewirkt oft das genaue Gegenteil von dem, was Patienten für ihre Heilung brauchen: Sie sollten Autonomie entwickeln, werden aber wie Kinder behandelt und im Unwissen gelassen; sie sollten aktiv in ihrer Einmaligkeit bestärkt werden, müssen jedoch stattdessen Norm-Verfahren über sich ergehen lassen; sie brauchen Zeit, doch alles wird so schnell wie möglich abgespult; sie sollten ihr Immunsystem stärken, aber sie werden Therapien unterworfen, die es eher schwächen; wo sie eine Zukunftsvision voller Hoffnung entwickeln müssten, speist man sie mit meist pessimistischen Prognosen ab; sie sollten ihren Körper neu kennen lernen (besonders jene erkrankten Stellen, an denen gefühlsmäßige Probleme vielleicht somatisiert wurden), erhalten aber Medikamente, die Funktionen und Empfindungen blockieren, oder sie verlieren diese Körperteile durch eine Operation vollends.
Das Jahrzehnt vor Ausbruch meiner Krankheit konnte nur zur Zerstörung meiner Körper-Geist-Einheit führen: eine absolut miese Ehe, ständige Überarbeitung, die nach der unvermeidlichen Scheidung nur noch zunahm, und ein Job bei einer Zeitung, der Siebentagewochen, Herzschmerz und Heimweh, Angstzustände und Perioden der Hoffnungslosigkeit mit sich brachte. Viel später erst stellte ich mir die Frage, warum ich mich immer wieder in derart unerträgliche Situationen begeben hatte.
Fast alle Krebs-Reisenden, mit denen ich gesprochen habe, entdeckten, dass neues Leben aus eben jenen schmerzhaften Wurzeln entstehen kann, die möglicherweise zu ihrer Krankheit beigetragen haben. Denn wenn eine Krankheit zum Teil aus einem schon früh vereitelten Bedürfnis nach Liebe und Nähe entspringt, einem verleugneten Seelenwachstum, dann sind die Wurzeln der Krankheit, so paradox das klingen mag, auch die Wurzeln für Gesundheit.
In der Zwischenzeit bin ich nach außen hin langsamer geworden. In den sieben Jahren nach meiner Operation habe ich ein Leben gelebt, das früher undenkbar für mich gewesen wäre. Ich stelle morgens das Telefon ab, lasse nur selten das Frühstück ausfallen, verpasse bisweilen den Redaktionsschluss oder lege sogar die Arbeit nieder, wenn sie beginnt, mir zu viel zu nehmen oder mich von denen, die ich liebe, zu weit zu entfernen. Ich will immer noch viel erreichen, doch mein früherer Ehrgeiz kommt mir vor als wäre ich im Rampenlicht auf der Stelle getreten. Meine Karriere, früher einer meiner Fixsterne, scheint mir jetzt nicht mehr wichtig.“Wohin du auch gehst, da bist du.“ Wohin glaubte ich denn zu gehen?
Betroffene schildern die Lernchancen durch ihre Krebskrankheit
Bis zu meiner Krebserkrankung stand ich selbst in einer Zweckbeziehung zu meinem Körper: er hatte zu funktionieren und sich den Plänen meines Verstandes und den Stimmungen meiner Seele unterzuordnen. Nun stand er auf einmal im Mittelpunkt. Seine Existenz und seine Gesundheit waren mir kostbar geworden. Ich spürte, wenn ich mich nicht in liebevoller Weise um ihn bemühte, ihn nicht liebte, so wie er war, konnte ich ihm nicht von innen heraus Heilung ermöglichen.
Diese Krankheit ist mir geschickt worden. Ich kann das jetzt aufrichtig sagen. Sie ist ein liebevolles Zeichen Gottes. Ich wäre nie so aufgerüttelt worden. Ich hätte mir nie Gedanken über den Sinn meines Lebens gemacht und mich hinterfragt: Wie lebe ich eigentlich? Was tue ich?
Ich wäre nie darauf gekommen, dass die Liebe wirklich das Allerwichtigste in unserem Leben ist. Ich sehe meine Krankheit als eine Chance des Wachsens und Reifens.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass mir die Krankheit das Leben gerettet hat. Wie grotesk das ist! Durch die Erschütterung habe ich auch gelernt, nicht immer nur zu machen, was andere von mir verlangen, sondern meine eigenen Bedürfnisse durchzusetzen und zu sagen: ich muss auch an mich selbst denken, nicht erst am Tag vor dem Tod! Ich möchte jetzt mehr inneren Frieden und Ruhe haben.
Es ist zwar makaber, aber ich musste erst krank werden, um dieses Lebensgefühl so stark zu empfinden. Mir wäre etwas verloren gegangen, wenn ich dieses Gefühl nicht bekommen hätte. Ich hätte auf die Krankheit gerne verzichtet, aber ich hätte das eine oder das andere nicht bekommen können.
Ich glaube, es gibt wirklich positive Dinge an dieser Krankheit: dass man das Leben mit anderen Augen sieht: dass es nicht mehr selbstverständlich ist, wenn man die Vögel singen hört und die Blumen blühen sieht. Man lebt intensiver, freut sich vielmehr über Kleinigkeiten.